QUATTRO STAGIONI
Juliette Blightman, Jan Paul Evers & Matthew Ronay
24.4.-30.8.2015
Juliette Blightman, Jan Paul Evers & Matthew Ronay
24.4.-30.8.2015
Mit der Ausstellung „Quattro Stagioni“ präsentiert Fürstenberg Zeitgenössisch die StipendiatInnen, die 2014 am Fürstenberg Zeitgenössisch Förderprogramm teilgenommen und die Sommermonate auf Schloss Heiligenberg verbracht haben: Juliette Blightman, Jan Paul Evers und Mathew Ronay. Jedes Jahr erhalten drei KünstlerInnen das Stipendium – 2014 bereits zum vierten Mal. Der Assoziationsspielraum von „Quattro Stagioni“ – den vier Jahreszeiten – mag bei kulinarischen und musikalischen Übersetzungen beginnen, ist jedoch bedeutend vielfältiger. Wenn nicht unmittelbar auf den Lauf der Dinge in der Natur Bezug genommen wird, wird mit quattro stagioni auf stets wiederkehrende Prozesse von Wandlung, Werden und Vergehen referiert. Sie stellen das Urbild dar, für die kontinuierliche Beobachtung derartiger Zusammenhänge. Der Mensch schreibt sich in sie ein, strukturiert und rhythmisiert ihre Zeitlichkeit mit jedem neuen Anfang. In der Wieder holung erfindet er stets neue Momentaufnahmen, bzw. Bildlichkeiten, in denen er sich subjektiv situieren kann.
Die britische, in Berlin lebende Künstlerin Juliette Blightman (* 1980) reflektiert in unterschiedlichen Medien und Formen ihr Dasein in Zeit und Raum. Ihre sehr persönlichen Filme, Zeichnungen, Installationen, Performances und Texte speisen sich aus intensiven Beobachtungen wiederkehrender, alltäglicher und ritualisierter Handlungen sowie ihrem Bewusstsein für Stimmungen, die zu bestimmten Tageszeiten und an unterschiedlichen Orten eintreten. Besondere Aufmerksamkeit schenkt sie Innenräumen und thematisiert medial zugleich oftmals den Moment der Betrachtung. Mit einer analogen 16-Millimeter Federwerkkamera produzierte sie 2007 eine Serie filmischer Stillleben, in denen sich die starre Einstellung auf einen Wohnraum lediglich am Ende der dreiminütigen Filme ändert – wenn die Kamera abrupt umschwenkt, als sei man gerade aus einem Tagtraum erwacht. Häusliche Szenerien und Objekte finden sich auch in ihren Zeichnungen und Installationen wieder. Teppich, Sessel und Topfpflanze sind wiederkehrende Elemente, deren ephemere Präsenz auf Anwesenheit wartet. Unter dem Ausstellungstitel „I Hope One Day Soon You Will Come Visit Me Here“ verhängte sie 2011 die Fenster dreier Galerieräume mit weißen Gardinen und stattete diese jeweils nur spärlich mit einer Topfpflanze und einem Wandetikett mit einer Orts- und Jahresangabe aus. Jenseits selbstreflexiver Meditation oder autobiografischer Narration eröffnet diese konsequente Stille von Blightmans Arbeiten einen überindividuellen Moment des Innehaltens und Verweilens. Die Ritualisierung von Zeit und Raum rückt ebenso wie ihr potentielles Vergehen in die Wahrnehmung.
Aus unterschiedlichen Hölzern, Stoffen und anderen Materialien, entstehen in akribischen Prozessen die Skulpturen des in New York lebenden Künstlers Matthew Ronay (* 1976). Ihre abstrakten oder abstrahierten Darstellungen verweisen auf organische Formen ebenso wie auf Figuren, Körperflüssigkeiten, vaginale oder phallische Formen. Es ergibt sich zumeist der Eindruck, dass sie rituelle Funktionen erfüllen bzw. quasireligiöse Stellvertreter sind. Ronays Werke setzen sich wie seine Ausstellungen aus Einzelelementen zusammen und sind zu Landschaften arrangiert. Sie verkörpern mythologische und psychologisch motivierte Narrationen, die oftmals Räume oder Situationen eines Übergangs darstellen, in denen Energien transformiert und Zustände verändert werden. Hierzu gehören Tod und Geburt, aber auch neue Schaffenskräfte aus dem Naturreich, wie z.B. die häufig wiederkehrenden Samenfrüchte. Verkörperung und Transformation kommen gleichfalls in den so genannten „activations“ zum Ausdruck, bei denen Ronay in Skulpturen schlüpft, die als Kostüm, Kokon oder Schutzraum angelegt sind. Die jeweils einmalig in einer Ausstellung stattfindenden Performances verleihen den Werken symbolisches Leben, indem der Künstler kleine, repetitive Handlungen ausführt oder Gegenstände und Flüssigkeiten aus dem Inneren nach Außen reicht. Diese langsamen Wiederholungen und die Veränderungen, die sie herbeiführen, repräsentieren überindividuelle Handlungen. Mensch und Natur sind in diesen Verkörperungen eng verbunden, von Domestizierung ist bei Ronay nichts zu spüren.
Die Arbeiten des in Köln lebenden Jan Paul Evers (* 1982) oszillieren zwischen Abstraktion und konkretem Motiv. Kamera und fotografische Technik sind seine Arbeitsinstrumente. Zwischen die ursprüngliche Wahrnehmung und das letztendliche Bild schieben sich künstliche Verfahrensweisen, mit denen sich Evers das Motiv aneignet und neu hervorbringt. Die eigenhändig hergestellten Silbergelatineabzüge sind Unikate – und konterkarieren die reproduktiven Möglichkeiten der Fotografie. Mit dem Handy oder der Kamera aufgenommene, von Filmprojektionen abfotografierte oder gefundene Bilder sind der Ausgangspunkt für Evers’ analytisch-konstruktiven Arbeitsprozess am Bild.
Die Arbeiten finden mittels verschiedener Entwicklungstechniken und unter Zuhilfenahme von Pappschablonen im Labor dann schließlich ihre singuläre Form. Das ursprüngliche Motiv ist durch die Modifikationen oftmals kaum noch erkennbar und der Abzug rekurriert als abstrakt konstruiertes Gebilde auf sich selbst. In einem Wechselspiel von Differenz und Referenz reflektieren die trügerischen, poetischen Ergebnisse den Wahrnehmungsprozess. Dieser hat sich bereits während der Entstehung der Arbeit als bedeutsam erwiesen, um aus dem realen Motiv das Bild herauszuarbeiten, und fordert nun dazu auf, seinem Werden und seinen Wandlungen nachzuspüren. Die Arbeiten der drei KünstlerInnen zeichnen sich durch ihre feine Beobachtung sowie kleine, ritualisierte Handlungen zwischen Transformation und Wiederholung aus. Dabei situieren sie sich auf dem oftmals schmalen Grat von privat und öffentlich, individuell und kollektiv, ohne im eigentlichen Sinne narrativ zu sein. Ihre kulturell überformten Übertragungen jener Prozesse, die sich mit „Quattro Stagioni“ aufrufen lassen, spannen einen Bogen vom Mythologischen über die Domestizierung zur Technik. Folgt man dieser stillen Perspektive des linearen Zirkulierens, die selbstverständlich nur eine unter verschiedenen Blickwinkeln auf die Werke ist, so ist intensive Betrachtung gefragt.