THOMAS SCHÜTTE EDITIONEN
17.09.–30.11.2025
Foto: Luise Heuter © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
17.09.–30.11.2025
Foto: Luise Heuter © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Einblick in das druckgrafische Werk eines der wichtigsten Gegenwartskünstler Deutschlands
Thomas Schütte (*1954 in Oldenburg) zählt zu den bedeutendsten und einflussreichsten Künstlern der Gegenwart. Seit den späten 1970er-Jahren prägt er mit einem vielgestaltigen, medienübergreifenden Œuvre die Kunstszene in Deutschland und darüber hinaus. Bereits als Student an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er unter anderem bei Gerhard Richter studierte, entwickelte er eine eigenständige künstlerische Sprache, die sich bewusst zwischen Skulptur, Architektur, Zeichnung und Grafik bewegt.
Schüttes Werk kreist um existenzielle Fragen des Menschseins, um gesellschaftliche Strukturen, Machtverhältnisse und das Verhältnis von Individuum und System. Seine bekanntesten Arbeiten – etwa die monumentalen Skulpturen wie die „Frauen“- oder die „Männerkopf“-Serien – sind nicht nur formal beeindruckend, sondern auch inhaltlich von tiefer Ambivalenz und psychologischer Dichte geprägt. Dabei ist Schütte kein Konzeptkünstler im engeren Sinne, sondern ein intuitiver Suchender, der in unterschiedlichen Medien experimentiert, variiert und reflektiert.
Die Bedeutung der Druckgrafik im Werk Schüttes
Neben seinen skulpturalen und architektonischen Arbeiten nimmt die Druckgrafik einen zentralen Platz in Schüttes Gesamtwerk ein. Die Ausstellung „Thomas Schütte – Editionen“ widmet sich erstmals im Schwarzwald seinem druckgrafischen Schaffen und macht deutlich, wie konsequent und experimentierfreudig der Künstler sich seit den 1980er-Jahren mit Radierung, Siebdruck, Lithografie und digitalen Drucktechniken auseinandersetzt.
In der Radierung, einem klassischen Tiefdruckverfahren, nutzt Schütte die technischen Möglichkeiten zur Entwicklung komplexer Liniengefüge und atmosphärischer Dichte. Besonders in seinen Porträts und Figurendarstellungen wird deutlich, wie präzise er mit Ätzung und Aquatinta arbeitet, um psychologische Tiefe und emotionale Spannung zu erzeugen. Oft wirken diese Blätter wie intime Studien, durchdrungen von Nachdenklichkeit, Einsamkeit oder innerer Unruhe.
Im Bereich des Siebdrucks – einem Verfahren, das sich durch starke Farbflächen und klare Formen auszeichnet – zeigt Schütte eine andere Seite. Hier spielt er mit Repetition, Überlagerung und seriellem Denken. Die visuelle Sprache wirkt hier grafischer, fast pop-artig, ohne je die Vielschichtigkeit zu verlieren, die sein Werk durchzieht.
Die Lithografie, ein Verfahren, das direktes Zeichnen auf den Stein erlaubt, nutzt Schütte, um mit gestischer Unmittelbarkeit zu arbeiten. Besonders in seinen Architekturentwürfen und Kopfstudien zeigt sich die Freiheit dieser Technik, die einen zeichnerischen Zugang mit dem seriellen Charakter der Druckgrafik verbindet. Seine Lithografien sind oft von expressiver Kraft und zeugen vom Spannungsverhältnis zwischen Form und Fragment, Körper und Raum.
In jüngeren Jahren hat sich Schütte auch dem Inkjet-Pigment-Print, also dem hochwertigen Tintenstrahldruck, zugewandt. Diese digitale Technik erlaubt ihm, Fotografie, Zeichnung und Malerei miteinander zu verbinden und neue Bildwelten zu erschließen. Dabei entstehen Arbeiten, die sich formal von den traditionellen Drucktechniken unterscheiden, inhaltlich jedoch nahtlos an seine zentralen Themen anschließen: Körper, Identität, Isolation, Macht.
Die Ausstellung „Thomas Schütte – Editionen“ eröffnet einen tiefgreifenden Blick auf einen besonders feinen Teil des Werkes von Thomas Schütte. Sie macht sichtbar, wie der Künstler das Medium der Grafik nicht als Nebenprodukt, sondern als eigenständiges, experimentelles Feld nutzt. Mit sicherem Gespür für technische Nuancen und dem Blick eines Bildhauers nähert sich Schütte der Druckgrafik als einem Ort des Denkens, Fragens und Gestaltens. Seine Editionen sind keine Reproduktionen – sie sind originäre künstlerische Setzungen, die einen wesentlichen Beitrag zur zeitgenössischen Druckgrafik leisten.